In Stahlgewittern

Abendzeitung / 9. Mai 2003

 

 

Sprachinseln im Stahlgewitter

Hans Melzer inszeniert Texte von Ernst Jünger

 

 

Ernst Jüngers Bericht „In Stahlgewittern“ über Erlebnisse im Ersten Weltkrieg ist eine authentische Quelle für die Realität des Krieges. Textpassagen hieraus dienten dem Münchner Regisseur Hans Melzer für seine Inszenierung“ „Ernst Jünger: Den Gefallenen / In Stahlgewittern“ in der unbestuhlten Kranhalle des Feierwerks.

 

Dafür ließ sich Melzer etwas Besonderes einfallen: Während im Vorraum Abschnitte aus „In Stahlgewittern“ über einen Beamer an die Wand geworfen werden, sitzen in der Halle selbst in schlichtes Schwarz gekleidet Ruth Geiersberger, Julia Halbig, Gabi Heller und Monika Manz sowie Schlagzeuger Karsten Helmbold dem Publikum nicht frontal gegenüber. Vielmehr postiert Melzer sie einzelnen wie Ausstellungsgegenstände auf kleinen, sanft, aber nicht schwach beleuchteten Podesten, frei im Raum verteilt. Mal im Wechsel, mal kanonartig versetzt lesen die vier Schauspielerinnen den Text, gelegentlich begleitet oder unterbrochen durch Kanonendonner und Gefechtslärm des Schlagwerkes.

 

Diese lebendige Klanginstallation fordert die Zuschauer auf, sich aktiv zu nähern, um sich auf den Inhalt zu konzentrieren. Es sind Sprachinseln, die man bewusst besuchen müsse, um einen eigenen Standpunkt zu finden.Melzer, der das Projekt zwei Jahre entwickelt hat, besetzte die Rollen ausschließlich mit Frauen: „Vielleicht können nur Frauen in der Jünger so eigenen präzis-unsentimentalen Sprache über Leiden und Krieg erzählen.“ Ein gelungener Abend.

 

Michael Brommer